Asemwald

[Rückblick] Ein Jahr in Skizze

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Der Sommer ist vorbei und in den Supermärkten stehen die ersten Lebkuchenpaletten unentschlossen zwischen der Herbst- und Halloweendeko herum. In einem Vierteljahr werden wir wieder mit unzähligen Jahresrückblicken versorgt werden und noch einmal werden Mund und Augen offen stehen wegen des globalen Misserfolgs im Klimaschutz und der politischen Erschütterungen in Deutschland, in Europa und in der Welt. Wir werden dann auch wissen, ob wir in Amerika auf ein bisschen Normalität hoffen dürfen oder ob wieder vier Jahre globale Verwerfungen auf dem Programm stehen. Wir werden mehr zu lesen und zu schauen haben, als uns lieb ist.

Was liegt da näher, als den persönlichen Jahresrückblick an ganz anderen Ereignissen festzumachen als am Datum? Und heute schon zurück zu blicken? In den letzten 12 Monaten habe ich zwei Skizzenbücher gefüllt. Ein guter Anlass für einen bildreichen Beitrag.

Über das Zeichnen habe ich hier lange nichts mehr geschrieben. In meinem letzten größeren Artikel dazu hatte ich die These formuliert, vielleicht sei es für mich richtig, auch in der Zeichnung nicht danach zu streben, eine gewisse Technik immer besser zu beherrschen. Vielleicht sei er richtiger, immer weiter Neues zu erproben, auch wenn ich das Alte noch gar nicht kann. Ein Suchender bleiben. Nun, genau so ist es gekommen.

Blicke ich zurück, dann habe ich das starke Gefühl, viel zu wenig gezeichnet zu haben. Gleichzeitig bilde ich mir ein, zwischen Stilen und Techniken umhergetaumelt zu sein. Aus meiner Warte habe ich nicht - wie andere Leute in meinem zeichnenden Umfeld - konsequent an einem eigenen, wiedererkennbaren Stil gearbeitet. Gefühle. Gleichzeitig sind zwei volle Skizzenbücher eigentlich nicht so schlecht und bei den monatlichen Treffen mit anderen Stuttgarter Zeichnerinnen und Zeichnern bekomme ich durchaus das Feedback, man erkenne doch sofort, welche Zeichnungen aus meiner Hand seien. Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung waren schon immer zwei schwer zu versöhnende Geschwister.

Katrin Merle aus Berlin, eine wirklich tolle Zeichnerin, adressierte vor ein paar Tagen ein längeres (Facebook-) Posting an diejenigen unter uns, die angesichts perfekter Urban Sketches aus aller Welt den Mut und den Spaß am Zeichnen verlieren könnten. Ich glaube, fast jeder ertappt sich ab und zu bei diesen Gedanken. Von außen gesehen sind meine Zeichnungen vermutlich okay. Mittelmäßig aber nicht furchtbar. Meine Selbstwahrnehmung agiert dagegen auf zwei Ebenen. Objektiv bin ich selten zufrieden, subjektiv will ich aber großzügiger mit mir sein und freue mich dann doch über (fast) jede Zeichnung. Einfach, weil das Zeichnen selbst so viel Spaß macht und weil ich mir dieses Glücksgefühl nicht durch objektive Miesepetrigkeit kaputt machen will.

Den Takt geben in meinen beiden Büchern der letzten 12 Monate die Treffen der 'Urban Sketchers Stuttgart' vor, ergänzt durch Zeichnungen, die auf Reisen und auf Ausflügen entstanden sind. Dazwischen runden Zeichnungen die Bücher ab, für die ich mir im Alltag oder wenigstens am Wochenende Zeit genommen habe. In der Gesamtschau sind es zuletzt erfreulich viele ‘anlasslose’ Zeichnungen geworden. Es ist und bleibt ein Ziel, auch die Alltage mit dem Glücksgefühl des Zeichnens und der Fotografie aufzufüllen. Und sich dafür vom medialen Konsum - auch von den 'sozialen Medien' ferner zu halten.

Technisch experimentiere ich immer noch und immer wieder, ganz wie erwartet. Meistens benutze ich den Füller mit wasserfest trocknender Sketchink, seltener einen Kugelschreiber oder wasserfeste Fineliner, ganz selten Blei- oder Buntstifte. Bei Füller und Fineliner bin ich vorher oft noch mit einem einfachen hellgrauen Filzstift oder Fineliner unterwegs, um den Bildschnitt und die Proportionen vorzubereiten, bei Kuli habe ich dieses Bedürfnis seltsamerweise seltener.

Schatten habe ich oft mit unterschiedlichen grauen Tusche-Pinselstiften angelegt, allerdings störe ich mich zunehmend am streifigen Look und will eigentlich davon wieder weg. Der Weg ist mir noch nicht ganz klar. Vielleicht versuche ich mal verdünnte flüssige Aquarellfarbe in billigeren Wassertankpinseln. Oder ich bleibe ganz konservativ dabei, mir die Graustufen aus Ultramarin und Sepia in der Klappe des Farbkastens selbst zu mischen.

Denn für die Farbe halte ich mich ohnehin meistens an Aquarellfarben im Kasten, nur ab und zu auch an wasservermalbare Buntstifte oder wasserlösliche Wachspastelle. Wachspastelle geben tolle tiefe Farben, trocknen aber wachsartig auf und erlauben deshalb keinerlei spätere Korrekturen mit Füller, Liner oder Kuli.

Die Bücher sind schon während sie entstehen Erinnerungsstücke. Jede Zeichnung ist das. Auch schnelle Skizzen fordern ungleich mehr Zeit ein, als eine Fotografie. Eine Skizze hat mehr mit einer kleinen Bilderserie gemeinsam als mit einem einzelnen Foto. Gehe ich einen Nachmittag bewusst fotografieren, komme ich vielleicht mit drei oder fünf oder neun zueinander passenden Bildern zurück. Beim Zeichnen (mit Glück) mit einer stimmigen Doppelseite.

So gesehen sind zwei Bücher in einem Jahr vielleicht wirklich ganz okay. Ähnlich viele Fotoserien kann ich jedenfalls nicht vorweisen. Mit diesem Beitrag blättere ich die Bücher auf und lade zum Stöbern ein. Es sind viele Bilder, ich weiß. Ich wollte nicht zu stark selektieren. Es geht ja um die Wegstrecke. 

(alle Bilder im Beitrag sind gescannt und unbearbeitet)

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Oliver schrieb am 20. September 2024 dazu:

Zu deiner Frage: Habe ich meinen Stil gefunden ein paar Gedanken von mir. Grundsätzlich kann man sich jetzt mal die Frage stellen, was den „Stil“ eines Bildes definiert. Sind die Oberflächlichkeiten wie wiederkehrende Farben, Blickwinkel oder wiederkehrende Elemente? Ich glaube schon, dass deine Bilder sehr viel haben was eine Wiedererkennung ermöglicht. Dazu gehört zum Beispiel die sehr reduzierte Verwendung von Farben. Oder die besondere Art, in der du dreidimensionale Tiefe und Schraffierungen in deinen Bildern einbringst. Deine wiederkehrenden Schriftarten welche du zur Beschriftung verwendest oder die punktuell eingesetzten Legenden in den Bilder. Hier und da klebt ein Polaroid oder es ist der Gipfelstempel integriert. 

Ich kann dir nicht sagen ob das nun dein „Style“ ist. Es sind Elemente die mir auffallen und die ich an deinen Bildern schätze.
Im Gegensatz zu der direkten Wiedergabe der Realität mittels der Fotografie schwingt in deinen Bildern immer auch ein wenig Fantasie mit. Fantasie über die reale Situation die du nur mit Strichen und Farbflächen einfängst. Gedanken ob es so wirklich gewesen ist oder ob hier der Künstler nicht ein wenig Dinge weggelassen oder Situationen zusammengefügt und verdichtet hat.
Als Fotograf staune ich einfach nur über die Bilder. Ich staune über deine Handwerklichkeit hier mit Stift und Pinsel umzugehen. Ich staune über deinen sehr genauen Blick. Und am meisten Staune ich über die Zeit die du dir nimmst!
Frage beantwortet?
Deine Wegstrecke der letzten 12 Monate ist beachtlich und wunderbar. Ich hab mir dir Bilder sehr gerne beim zweiten Mal lesen des Artikels in Ruhe angeschaut und auf mich wirken lassen. Ich bin der Überzeugung, dass dies ein gutes Jahr für dich war. Und bin auch davon überzeugt, dass die nächsten zwei Bücher genauso gut werden.
 
Frage beantwortet, Oli, danke ;-). Die Integration von Schrift, Stempeln oder Bildern halte ich jetzt nicht für irgendwie außergewöhnlich aber natürlich tragen sie - im wörtlichen wie im übertragenen Sinne - zur widererkennbaren Handschrift bei. Lustigerweise - das ab ich ja versucht zu beschreiben - will ich gar nicht zu widererkennbar sein. Will eigentlich suchen, ausprobieren. Das gelingt offenbar nur in kleinen Schritten. Aber das ist okay.
 
Dirk schrieb am 21. September 2024:

Hallo lieber Stefan,

mit ganz viel Begeisterung habe ich deinen stimmigen Blogbeitrag samt den wundervollen Zeichnungen genossen. Dieses Aquarellhafte spricht mich total an, und ich möchte behaupten, die sind gut! Sicherlich kein Fachmann auf dem Gebiet, erlaube ich mir die Aussage einfach mal, denn ich habe über Jahrzehnte die Werke meines Großcousins Bodo Meier anschauen dürfen, der mit seinen Tier-Aquarellen einer der ganz Großen war. Leider ist er letztes Jahr verstorben.

 Die Idee, im September ein Jahr zurück zu blicken, ist eine charmante Form des Aufbruchs aus Ritualen und Normen, die oftmals seltsam sind, und deren Hintergründe auch kaum mal reflektiert werden. Wenn ich so über deine Bücher mit den Zeichnungen nachdenke, und den Gedanken zum jetzigen Zeitpunkt, animiert mich das sehr, selber mal kurz inne zu halten. Und obendrein beschäftigt mich aktuell die Gestaltung meines diesjährigen Bildbandes enorm. Alles das fließt schön zusammen mit dem, was dein Artikel initialisiert.

Für deine weitere Fotografie und das Zeichnen wünsche ich dir beseelte Stunden, und das rechte Maß an Zufriedenheit... ;-)

Herzliche Grüße, Dirk

Danke auch Dir, Dirk! Die aufgewendete Zeit und die Zufriedenheit stehen tatsächlich in einem engen Verhältnis zueinander. Zeit zum Zeichnen und zum Fotografieren ist 'quality time' und macht mich glücklich. Die Aquarelle Deines verstorbenen Großcousins sind natürlich eine ganz andere Liga. Wo er Bilder geschaffen hat, bleiben es bei mir eher Notizen. Vielen Dank aber für diesen Hinweis, es gibt noch viel für mich zu entdecken!

Herzliche Grüße zurück an Euch beide!