Skizzenbuch

[spät dran] Vorwärtsgang

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Es ist Ende Februar und meine Welt befindet sich irgendwie im Vorwärtsgang. So richtig befreiend fühlt es sich nicht an aber immerhin ist das letzte Jahr inzwischen lange her. Dass wir heute, kaum dass sich in der Pandemie ein Silberstreif am Horizont andeutet, in einer neuen Wirklichkeit erwachen mussten und in Europa ein Krieg begonnen wurde, hab ich noch gar nicht wirklich verinnerlicht.

Schon das Jahr 2021 wurde ja von von vielen unter dem Label 'kann man vergessen' abgehakt. Für mich war 2021 eigentlich kein so schlechtes Jahr (um es mal sehr schwäbisch durch die Verneinung des Gegenteils auszudrücken). Ich hab meine berufsbegleitende Fortbildung abgeschlossen, die Prüfung zum 'Sachverständigen für Schäden an Gebäuden (HTWG Konstanz/IFBau)' bestanden, bin drei mal an deutsche Küsten gereist und drei mal geimpft worden, hab mein Buchprojekt 'Lichtpfützen und Schattenseen' realisiert und dank Oliver und Ivan damit angefangen, zu podcasten.

Meine Fotografie hat sich dagegen nicht in großen Schritten weiterentwickelt. Sie ist aber geblieben, was mir wertvoll ist: Ein Ausgleich. Ein Grund, erst ziellos herumzustreifen und dann stehen zu bleiben und genau hinzusehen. Ein Mittel, um zur Ruhe zu kommen. 

Im Ganzen hab ich letztes Jahr eher zu wenig fotografiert aber war dafür viel im Freibad, bin viel Rad gefahren und habe viel gezeichnet. Denn das sind auch alles Mittel, um zur Ruhe zu kommen, innerlich. Zu meinen Zeichnungen habe ich Ende des vergangenen Jahres ein kleines Video aufgenommen und es in ein paar Gruppen verlinkt, die sich mit der Zeichnerei befassen. Ich hole es heute auch hier mal nach. Ein sogennannter 'Sketchbookwalk' durch mein zeichnerisches 2021 (ein Jahr in 15 Minuten):

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Und das Zeichnen ist auch mein erster Anknüpfungspunkt in diesem Jahr. Die ersten wenigen Seiten sind wieder gefüllt und ich spüre sehr deutlich, wie weit mein Können mal wieder von dem entfernt ist, was ich eigentlich will. Wobei, es ist wie in der Fotografie: Auch die Frage nach dem was man will, ist nicht leicht zu beantworten. Auch das Wollen windet sich und versucht mir zu entwischen.

Wobei das Zeichnen auch Wege für die Fotografie ebnet. Zeichnen ist (für mich) näher am Selbstzweck. Ich zeichne, um zu zeichnen. In der Fotografie geht mir dieser einfache Zusammenhang immer wieder mal verloren. Vielleicht weil ich es technisch besser beherrsche. In der Zeichnung ist es mir (mindestens zur Zeit) wichtiger dass und wie ich zeichne, als was ich eigentlich zeichne. Die Mittel und der Prozess sind mindestens so wichtig wie das Motiv.

Vielleicht sollte ich diesen Gedanken auch in der Fotografie weiter nach vorne holen und die geübte Technik immer wieder in Frage stellen. Und immer wieder nach einer Beziehung zwischen Technik und Motiv suchen. Und vielleicht sollte ich auch in der Zeichnung nicht danach streben, eine gewisse Technik immer besser zu beherrschen sondern immer weiter Neues erproben, auch wenn ich das Alte noch gar nicht kann, nach meinen Maßstäben. Ja. Wahrscheinlich ist das so. Ein Suchender bleiben. Das ist etwas, das mich antreibt.

Drei Seiten möchte ich heute zeigen. Zuerst ein früher Nachmittag in der Dürnitz des Alten Schlosses in Stuttgart Mitte. Die Dürnitz, das ist die Speisehalle einer Burg oder eines Schlosses, meist im Erdgeschoss. Hier in Stuttgart wurde sie erst letztes Jahr neu gestaltet und zu einer Art öffentlichen Lobby mitten in der Stadt, offen für alle Stadtbummler und Rumtreiber. Ein schöner Ort. Diese Buchseite riecht nach Kaffee, denn sie ist mit Kaffee coloriert.

Eine Woche später habe ich mich an einem milden Tag hier bei uns in den Hohenheimer Gärten an ein Denkmal gelehnt. Und danach noch eine Latte Macchiato getrunken. Da war schon fast Frühling.

Und wieder eine Woche später war ich mit Oliver in Ulm verabredet. Wir haben uns im Stadthaus zwei Fotoausstellungen angesehen, sind durch die Altstadt geschlendert und zum Mittagessen im Pfannkuchenhaus aufgeschlagen. Dort fesselte mich die Chimäre einer Bürgersfrau mit Schlangenkörper, Fischschwanz und Geweih, die in der dunkelsten Ecke über dem Stammtisch hängt. Das Bild dieses Tages steht oben, über diesem Beitrag und schlägt durch das Treffen mit Oliver auch eine Brücke zwischen Fotografie und Zeichnung. So kann es weitergehen, privat. Wie es weiter geht mit unserer Welt, das ist eine andere Geschichte und die lastet schwer.

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