Sofortbild

[anfassen] Vom Reiz der Sofortbilder

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Woher kommt dieser Reiz der Sofortbilder? Es ist schon wieder drei Wochen her, seit diese vier Bilder entstanden sind. Es war ein milchiger Morgen. Nicht wie von diesem Saharastaub, der dem Fernblick gerade in den Klamotten steckt, nein: hell, weiß, feucht. Ein Tag an dem man nicht sitzen bleiben kann, auch wenn man keine Agenda hat, was gerade jetzt zu fotografieren wäre.

Vier Bilder hatte ich danach in der Jackentasche. Nicht viel. Vier Bilder mit der DSLR, die wären irgendwann auf die Festplatte gerutscht und dort in Vergessenheit geraten. Noch dazu wenn sie nur mäßig scharf wären, ausgebrannte Lichter und abgesoffene Schatten hätten. Warum ist das anders, wenn man die Bilder in der Hand halten kann? Warum fühlen sich diese Bilder 'echter' an? Und wichtig?

Ich bin mit analogem Film aufgewachsen. Als ich 8 war oder so, da hatte ich eine Kodak Instamatic (ja, das 'Insta' gibt's schon etwas länger...). Das Ding hat quadratische Bilder auf Kassettenfilm gemacht. 28,6 x 28,6 mm. Und als besondere Kostbarkeit hat man seine teuren Blitzwürfel gehütet. Vier mal blitzen und hopp. Es liegt in der Natur der Sache, dass diejenigen Bilder, die aus dieser Kamera bis heute überdauert haben, zu unersetzlichen Schätzen geworden sind. Dass sie unscharf und farbstichig sind, spielt keine Rolle.

Solcher Rang kommt ein paar schnellen 'Instaxen' nicht zu. Und doch profitieren sie genau davon. Von gefühlter Erinnerung. Von der Habhaftigkeit eines Papierbilders (auch wenn das eher Plastik als Papier ist). Von der Dinglichkeit. Sie sind keine Information. Sie leuchten nicht, brauchen keinen Akku. Sie sind etwas. Sie sind unmittelbar.

Um ein Sofortbild hier zeigen zu können, muss ich es nochmals abfotografieren oder scannen. Das was hier erscheint ist also das Bild eines Bildes. Was könnte das anders vermitteln, als dass das Bild selbst etwas ist, das es Wert war fotografiert zu werden? Willkommen im Dschungel der Metaebenen und der mehrfachen Codierung. Nur das Original ist echt, nur das Einzelstück. Schaut Euch das Abbild des Bildes an, könnt Ihr es nicht sehen?

Ja, meine Einstellung zu diesen Bildern ist ambivalent. Aber ich bin nicht frei vom Reiz der Sofortbilder, sonst hätte ich wohl keine Instax. Um ganz offen zu sein: Wenn ich den Kopf zurückpfeife, dann spüre ich bei jedem Klick wie mein Herz pocht. Das ist anders als bei der DSLR. und ganz andres als beim Smartphone.

In meinem Schrank liegen 20 abgelaufene Spulen Diafilm. Ich denke das Gefühl wird ähnlich sein. Ich sollte mir jetzt wirklich langsam mal ein Konzept dafür ausdenken...

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Werner schrieb am 01.03.2021:

Ja, die Sofortbilder „sind etwas“. So empfinde ich diese so unperfekten Instax-Aufnahmen auch. Bildgewordene Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. Es ist fast so, als gingen mit diesen Sofortbildern die Gerüche und das Gefühl von „damals“ einher. Die Farben ja sowieso. Vielleicht holen wir uns so ein Stück von uns selbst zurück.

Und das Platonsche Höhlengleichnis fällt mir ein: Wir scannen analoge Fotos um sie digital zu präsentieren und (oder) archivieren. Wir zeigen das Bild eines Bildes. So wie Instagram und andere auch das Bild eines Lebens zeigen. Stoff für viele Diskussionen. Das macht auch diesen Beitrag wieder einmal so spannend!

Liebe Grüße,

Werner    

Stefan schrieb am 01.03.2021:

Dass etwas schon Vergangenheit atmet, wenn es noch nicht einmal fertig entwickelt ist, ja, das ist so bei diesen Bildern.

Du hattest ja auch Peter F. Gehards Bilder kommentiert, an denen der Zahn der Zeit nagt. Die finde ich ganz wunderbar, obwohl sie ein reines Zufallsprodukt sind. Dort ist das Alter echt. Dort dokumentieren die nun digital 'fixierten', halb zerstörten Bilder nun auch die vergangene Zeit seit der Aufnahme. Das können (neue) Sofortbilder nicht. Aber sie schlagen eine Brücke in die Vergangenheit. Sie geben uns das Gefühl, wir könnten über die Schulter schauen. Und gleichzeitig sehen und fühlen wir dennoch weiterhin nur die Schatten an der Wand. Es bleibt ambivalent.

 

Herzliche Grüße: Stefan