Asemwald

Ich zeichne. Ich bin.

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Wie schnell sich alles ändert. Vor drei Jahren ging das los. Seit November 2022 begegnen uns überall sichtbar und leider auch weniger offensichtlich KI-Inhalte.

Wenn man heute ein paar Stichwörter in eine Suchmaschine klopft, dann spuckt sie als erstes eine KI-generierte Zusammenfassung zum Thema aus, die nicht weniger zum Ziel hat, als unsere Bequemlichkeit zu triggern und uns gleich ganz oben - dort wo auch die Werbung liegt - festzuhalten. Aus dutzenden oder hunderten Quellen wird eine einzige, eloquent formulierte Zusammenfassung gemacht. Die eigene Recherche und das eigene Nachdenken wird gefühlt zu einem verzichtbaren Luxus.

Gleichzeitig werden im Internet gehandelte Quellen immer schwerer verifizierbar. Foto, Video, Ton und Text, was davon ist noch echt, was ist generiert, erfunden oder erlogen?

Die Fotografie hat es zuerst erwischt. Das passende Bild zu einem Text ist schneller erzeugt, als es gesucht wäre, von 'gemacht' ganz zu schweigen. Warum für ein Stockfoto zahlen, wenn ein passend(er)es Bild aus der KI kostenlos ist? Warum am Ende sogar einen teuren Fotografen losschicken? Der Bildbearbeitung ergeht es ähnlich: Aus jedem schlampigen Handyfoto lässt sich ohne übertriebenen Aufwand eine attraktive Fotografie zaubern. Störende Elemente verschwinden einfach, Hintergründe werden weichgezeichnet oder gleich ganz ausgetauscht, zusätzliche Lichtquellen gesetzt, Retuschen automatisiert und das Ganze anschliessend mit einem authentischen Filmlook plausibilisiert. Die Grenze zwischen Fotografie und Erfindung, zwischen Wahrheit und Lüge sind völlig fließend und werden fortlaufend neu verhandelt.

Das Zeichnen ist hier etwas resilienter. Nicht das irgendwie schwierig wäre, eine KI zum Urban Sketching zu bringen. Der Prompt könnte im Gegenteil kaum einfacher sein: 'Mach aus diesem Foto eine Zeichnung, Tusche und Aquarell, Urban Sketching'. Man erhält eine plausible Zeichnung, die - unter fremdem Namen hochgeladen - wohl kaum Irritation oder Zweifel auslösen würde. Aber alles was das Zeichnen für mich wesentlich macht, würde fehlen.

Urban Sketching, das ist eine erstaunliche Mischung. Man nimmt sich Zeit und bemüht sich doch um Geschwindigkeit. Man beobachtet genau und ändert doch vieles so ab, dass es in der Zeichnung gut passt. Man ist ganz für sich und führt doch oft nebenher Gespräche mit Fremden und Freunden. Man füllt ganz analog die Buchseiten und teilt das Ergebnis trotzdem im Netz. Man entspannt sich und ist doch angespannt.

Meine echte Zeichnung. Weniger genau. Mehr ich.
Meine Zeichung. Erlebt. Nicht konstruiert.

Mag sein, dass das alles nicht für jeden gilt. Für mich gilt es. Und es ist nicht durch eine KI ersetzbar. Die Skizzenbücher - unser Regal füllt sich bereits bedenklich mit schwarzen Buchrücken - sind Dokumente des hier und jetzt, auch wenn die einzelnen Zeichnungen bei mir momentan nicht ausdrücklich darauf angelegt sind, eine fortlaufende Geschichte zu erzählen oder einen bestimmten Zustand (gesellschaftlich, politisch, baulich oder persönlich) zu dokumentieren. 

Ich habe lange nicht gebloggt. Mal sehen, ob also noch jemand bemerkt, wenn ich es nun wieder tue. Für das schriftliche Schweigen gab es gute Gründe, persönliche, technische, berufliche. Daran, dass ich nicht genug zu zeigen hätte, lag es nicht. Die Bilder gingen allerdings den Weg des geringsten Widerstands, zu Instagram und Facebook. Nun ist es aber so, dass mich diese Plattformen zunehmend ärgern. Zu viele Bots oder laute Menschen, deren 'Meinungen' eigentlich nur ein Ausdruck fehlender Bildung und fehlender Empathie sind. Zu viele Inhalte aus einer KI.

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Oliver schrieb am 2. November 2025:

Ich beneide dich um deine Bücher. Ein paar habe ich auch gemacht. Ich nehme sie dann doch zu wenig raus und in die Hand. Aber sicherlich ist das niederschwelliger als im Blog zu stöbern oder gar in die Untiefen des Lightroom Katalog hinabzusteigen.

Ja. AI macht einiges anders und Pandoras Box ist geöffnet. Hilft Nix darüber zu lametieren. Viel schöner und wichtiger ist es doch die positiven Besonderheiten des handwerklichen Prozesses hervorzuheben. Egal ob mit Pinsel, auf Film oder digital.

Danke mein Freund, ja, darum geht es. Um den Wert des eigenen Tuns. Um den Prozess (den Weg) nicht das Ergebnis (das Ziel). Achtung Spruch mit Bart: 'Der Weg ist das Ziel'. Das gilt in Zeichen von KI vielleicht mehr denn je.

Viele liebe Grüße: Stefan

Dirk schrieb am 16. November 2025:

Hallo Stefan!

 
Ich habe es bemerkt. Du bloggst wieder. Das war aber auch ein riesiger Zufall, ich war jetzt sicher auch über ein Jahr nicht mehr auf Deiner Seite. Der Impuls war gesetzt, als ich heute Morgen noch einmal etwas in einem Blog Bericht u.a. zur analogen MZ-5N Kamera nachlesen wollte und Deinen Kommentar darunter wiederentdeckt habe. 
 
Ich kann Deine grundsätzlichen Gedanken zur KI sehr gut nachvollziehen. Im professionellen Umfeld ist sie für mich tatsächlich eine Erleichterung für viele Routineaufgaben, gerade wenn ich den Kontext selber gut kenne und die Ergebnisse abschätzen und ggf. durch gezieltere Nicht-KI-Recherchen korrigieren kann.
 
"Die Fotografie hat es zuerst erwischt", schreibst Du. Was das Berufsfeld angeht, hast Du sicher recht. Hier ist ein enormer Druck entstanden. Wo Kosten eingespart werden können, werden sie eingespart. Aber Deine Ausführungen rund ums Zeichnen (und deren Resilienz) sind meiner Meinung so übertragbar auf die Fotografie, es gilt eben Profession (wo es viel um Effizienz geht) und Hobby (wo es mir um Leidenschaft und Ausgleich geht) zu trennen. 
 
Wie du schreibst "Ich zeichne. Ich bin", möchte ich für mich entgegenhalten: "Ich fotografiere. Ich bin". Bei mechanische Tätigkeiten wie das Wegstempeln von Staub bei Scans analoger Fotos oder der gezielten Maskierung eines Himmels zum digitalen Abwedeln mag ich mir inzwischen gerne von der KI helfen. Ohne dass ich die Authentizität meiner Fotografie in Frage stellen muss. Wobei der Begriff Authentizität in der Fotografie eh ein schwieriges Unterfangen ist, schon lange Zeit vor dem Einzug der Anwendungsoptionen durch Machine Learning und LLMs.
 
Natürlich sind die vielfältigen Möglichkeiten durch KI verführerisch, Abkürzungen zu nehmen und Bildoptimierungen und -verfremdungen durchzuführen. Aber was im Privaten zählt ist doch eher die Freude an der eigenen Kreation. Zu wissen, was man selbst in ein gutes Foto investiert hat. Vor, während und nach der Aufnahme. Ich habe die Wahl der Werkzeuge, KI-Funktionen sind da mit im Köcher. Sie sollten aber nicht die Kreativität und vor allem die Authentizität abnehmen. Aber nochmal: ich habe hier die Wahl, "meine" Fotografie hat es hier nicht "erwischt", denn im Privaten gibt es keine Druck, keine Verdrängung, ich entscheide selbst - wie Du beim Zeichnen.
 
Dazu meine ich zu beobachten, dass es mit der zunehmenden Digitalisierung unserer Welt, der Drang zur Optimierung, Bequemlichkeit und beschränkten Blickwinkel durch KI, dazu der ganze gesellschaftliche und politische Wahnsinn, in der Empathie und Anstand nicht mehr viel zu zählen scheint, durchaus Gegenbewegungen im Kleinen gibt. Ich beobachte das bei meinen Kindern, ich sehe das bei mir. Ein sehr kleiner Puzzlestein ist das Wiedererwachen der analogen Fotografie. Scheinbar kein Hype, sondern seit vielen Jahren in meiner Wahrnehmung wieder auf dem Vormarsch.
 
Stefan, ich muss mal zum Ende kommen. Ich kann meine Gedanken einfach nicht so schön auf den Punkt bringen, wie Du das immer in Deinen Blog Artikeln vermagst. Du weisst, ich habe immer gerne bei Dir mitgelesen und ermuntere Dich weiter, das auch wieder zu intensivieren. Und ich würde mich freuen, wenn Du auch der Fotografie wieder einen (öffentlichen) Raum gibst, aber das muss natürlich zu Deinem Leben passen. Ich habe mir eben Deinen letzten Foto Post angeschaut, so schön, friedlich, poetisch die Urlaubsbilder vom Ossiacher See... alles Gute Stefan, man liest sich.
 
Dirk
 
Hallo Dirk! Danke für Dein Feedback! Um es hinten zu beginnen: Mehr schreiben möchte ich tatsächlich wieder, ich möchte nur nicht drüber gackern sondern es einfach geschehen lassen. Dass es dabei momentan oft um Fotografie gehen wird ist weniger absehbar, wobei es mich gerade in der kalten Jahreszeit oft raus zieht, um das versteckte Leben zu fotografieren. Und ich muss mich mal mit meiner K3 III auseinandersetzen, denn die tut nicht so richtig, was sie soll. Mit der KP bekomme ich - was Schärfe und Belichtung angeht - die konsistenteren Bilder hin. Die K3 III liegt mehr oder weniger ungenutzt im Schrank. Eigentlich kein Zustand, da hast Du Recht!
 
Was die KI angeht, so gilt letztlich das, was ich auch Oliver geantwortet habe. Aber ich sehe und verstehe auch, dass die KI uns wirklich mächtige und bequeme Werkzeuge an die Hand gibt, die man schon nutzen kann. Ich habe nur wirklich sorgen, was das mit unserer Wahrnehmung macht. Ein Beispiel: Ich hab - ist schon 2 Jahre her - mal ein Bild meines Sohnes mit mir im Schwarzwald genommen und - obwohl es ein Doppelportrait war - der Google-Bilder-KI meines Telefons die Aufgabe gegeben, mich aus dem Bild zu entfernen. Es war erschütternd. Die Aussicht hinter uns wurde glaubwürdig ergänzt, die Frisur meines Sohnes wurde zutreffend ergänzt und das ganze Bild sah beängstigend unbearbeitet und natürlich aus. Immer wider mal werfe ich störende Passanten aus meinen Schnappschüssen. Das tut der Ästhetik gut, der Abbildung einer Realität aber eher nicht so...
 
Ja, man liest sich, ich freue mich drauf! Viele Grüße: Stefan