Ich zeichne. Ich bin.
von Stefan Senfveröffentlicht am
Wie schnell sich alles ändert. Vor drei Jahren ging das los. Seit November 2022 begegnen uns überall sichtbar und leider auch weniger offensichtlich KI-Inhalte.
Wenn man heute ein paar Stichwörter in eine Suchmaschine klopft, dann spuckt sie als erstes eine KI-generierte Zusammenfassung zum Thema aus, die nicht weniger zum Ziel hat, als unsere Bequemlichkeit zu triggern und uns gleich ganz oben - dort wo auch die Werbung liegt - festzuhalten. Aus dutzenden oder hunderten Quellen wird eine einzige, eloquent formulierte Zusammenfassung gemacht. Die eigene Recherche und das eigene Nachdenken wird gefühlt zu einem verzichtbaren Luxus.
Gleichzeitig werden im Internet gehandelte Quellen immer schwerer verifizierbar. Foto, Video, Ton und Text, was davon ist noch echt, was ist generiert, erfunden oder erlogen?
Die Fotografie hat es zuerst erwischt. Das passende Bild zu einem Text ist schneller erzeugt, als es gesucht wäre, von 'gemacht' ganz zu schweigen. Warum für ein Stockfoto zahlen, wenn ein passend(er)es Bild aus der KI kostenlos ist? Warum am Ende sogar einen teuren Fotografen losschicken? Der Bildbearbeitung ergeht es ähnlich: Aus jedem schlampigen Handyfoto lässt sich ohne übertriebenen Aufwand eine attraktive Fotografie zaubern. Störende Elemente verschwinden einfach, Hintergründe werden weichgezeichnet oder gleich ganz ausgetauscht, zusätzliche Lichtquellen gesetzt, Retuschen automatisiert und das Ganze anschliessend mit einem authentischen Filmlook plausibilisiert. Die Grenze zwischen Fotografie und Erfindung, zwischen Wahrheit und Lüge sind völlig fließend und werden fortlaufend neu verhandelt.
Das Zeichnen ist hier etwas resilienter. Nicht das irgendwie schwierig wäre, eine KI zum Urban Sketching zu bringen. Der Prompt könnte im Gegenteil kaum einfacher sein: 'Mach aus diesem Foto eine Zeichnung, Tusche und Aquarell, Urban Sketching'. Man erhält eine plausible Zeichnung, die - unter fremdem Namen hochgeladen - wohl kaum Irritation oder Zweifel auslösen würde. Aber alles was das Zeichnen für mich wesentlich macht, würde fehlen.
Urban Sketching, das ist eine erstaunliche Mischung. Man nimmt sich Zeit und bemüht sich doch um Geschwindigkeit. Man beobachtet genau und ändert doch vieles so ab, dass es in der Zeichnung gut passt. Man ist ganz für sich und führt doch oft nebenher Gespräche mit Fremden und Freunden. Man füllt ganz analog die Buchseiten und teilt das Ergebnis trotzdem im Netz. Man entspannt sich und ist doch angespannt.

Mag sein, dass das alles nicht für jeden gilt. Für mich gilt es. Und es ist nicht durch eine KI ersetzbar. Die Skizzenbücher - unser Regal füllt sich bereits bedenklich mit schwarzen Buchrücken - sind Dokumente des hier und jetzt, auch wenn die einzelnen Zeichnungen bei mir momentan nicht ausdrücklich darauf angelegt sind, eine fortlaufende Geschichte zu erzählen oder einen bestimmten Zustand (gesellschaftlich, politisch, baulich oder persönlich) zu dokumentieren.
Ich habe lange nicht gebloggt. Mal sehen, ob also noch jemand bemerkt, wenn ich es nun wieder tue. Für das schriftliche Schweigen gab es gute Gründe, persönliche, technische, berufliche. Daran, dass ich nicht genug zu zeigen hätte, lag es nicht. Die Bilder gingen allerdings den Weg des geringsten Widerstands, zu Instagram und Facebook. Nun ist es aber so, dass mich diese Plattformen zunehmend ärgern. Zu viele Bots oder laute Menschen, deren 'Meinungen' eigentlich nur ein Ausdruck fehlender Bildung und fehlender Empathie sind. Zu viele Inhalte aus einer KI.
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